Aus dem Höpfigheimer Ortsarchiv (2)(ca. 5 Minuten Lesezeit)

Probleme in der Höpfigheimer Schule im Jahre 1883 wegen der angestiegenen Zahl der Schulkinder und der Einführung des Turnens bei Knaben

Im Sitzungsprotokoll der Höpfigheimer über die gemeinsame Sitzung von Gemeinderat, Bürgerausschuss und Ortsschulbehörde vom 10. September 1883 heißt es wie folgt:

In einem Erlass des Königlichen Konsistoriums und des Königlichen Oberamtes vom 29. August 1883 wird die hiesige Gemeinde und Ortsschulbehörde, da die Zahl der schulpflichtigen Kinder 150 übersteige, aufgefordert, darüber Beschluss zu fassen, dass statt dem seitherigen Lehrergehilfen ein Unterlehrer eingestellt werde. Auf diese Aufforderung wird, nachdem der Ortsvorsteher hiervon Vortrag erstattet hat, von der Gemeinde und Ortsschulbehörde einstimmig beschlossen:

  1. Die Bitte an das Königliche Konsistorium zu stellen, die hiesige Gemeinde von der Anstellung eines Unterlehrers zu suspensieren, weil ohne Zweifel durch die Einstellung eines Unterlehrers der Gemeindekasse ein weiterer Kostenaufwand von 150 Mark erwachsen würde, auch dieselbe infolge eines Straßenbaues mit ca. 12.000 Mark Schulden belastet sei und zur Zeit eine Gemeindeschadens-Umlage von 5.300 Mark hat, sodass die Steuercontribuenten derart in Anspruch genommen sind, dass ein weiterer Aufwand nicht mehr gemacht werden kann.
  2. Und wird auch von der hiesigen Einwohnerschaft die Anstellung eines Unterlehrers nicht gewünscht.

Bürgerausschuss: Dambach, Nafzger, Kraft, Deyhle, Nafzger
Gemeinderath: Kraft, Oehler, Thumm, Dambach, Wagner, Kraft [II], Zeeh
Ortsschulbehörde: Pfarrer Nefflen, Schultheiß Klumpp, Schullehrer Unger

Anmerkungen:

Um die damaligen Verhältnisse in Höpfigheim verstehen zu können, bedarf es einiger Erläuterungen.

In Württemberg bestand seit 1649 Volksschulpflicht. Nach dem Volksschulgesetz von 1836, das bis 1909 galt, war jedes Kind vom 6. bis zum 14. Lebensjahr schulpflichtig. Jede Gemeinde hatte eine Schule auf ihre Kosten zu unterhalten; auch die Lehrerbesoldung, die zu einem Teil noch in Naturalien (Getreide, Brennholz) erfolgte, war Sache der Gemeinde.
Gegenstand des Unterrichts in der Volksschule war: Religions- und Sittenlehre, Lesen, Schreiben, deutsche Sprache, Rechnen und Singen. Die Eltern der Höpfigheimer Schulkinder mussten Schulgeld in Höhe von 2 Mark pro Jahr und Kind an die Gemeinde bezahlen. An jeder Schule waren bei bis zu 90 Kindern ein Lehrer und bei 90 bis 180 Kindern zwei Lehrer anzustellen.
Die Schulaufsicht über die Schule hatten der Ortsschulinspektor und die Ortsschulbehörde. Ortsschulinspektor war der jeweilige Ortspfarrer, also hier der damalige Pfarrer Nefflen. Er hatte die Schule und den Unterricht des Lehrers durch regelmäßige Kontrollen zu beaufsichtigen und auch den Lehrer zu beurteilen. Der Ortspfarrer war also der Vorgesetzte des Schulmeisters, was in manchen Gemeinden öfters zu Reibereien geführt hat. Die Ortsschulbehörde bestand aus dem Pfarrer, einem Kirchengemeinderat und dem Schulmeister. Es gab dann noch den übergeordneten Bezirkschulinspektor, meist der evangelische Dekan, und dann als Oberschulbehörde das evangelische Consistorium.

Neben dem auf sechs Jahre gewählten Gemeinderat gab es damals noch einen auf zwei Jahre gewählten Bürgerausschuss mit einem Obmann als Vorsitzenden, der so viele Mitglieder wie der Gemeinderat hatte und der in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen zu den Gemeinderatssitzungen geladen werden musste. Der Ort Höpfigheim hatte um 1883 rund 750 Einwohner und wie wir aus dem Gemeinderatsprotokoll gesehen haben, über 150 Schulkinder. Der damalige Kinderreichtum in Deutschland zeigt sich hier.
Wie ein Lehrer mit einem Gehilfen 150 Kinder in zwei Räumen unterrichten konnte, das ist heute allerdings schwer zu verstehen. Dies zum Verständnis der früheren kommunalen Verhältnisse.

Weil die Höpfigheimer Gemeinde für die Besoldung eines zweiten Lehrers, eines „Unterlehrers“ aufzukommen hatte, sträubte man sich, einen solchen einzustellen.
Das Jahresgehalt des Schulmeisters lag in Höpfigheim bei rund 900 Mark, das des Lehrgehilfen bei rund 500 Mark. Ein ausgebildeter Unterlehrer hätte aber rund 700 Mark gekostet.

Die Gemeindeschadensumlage wurde erhoben, wenn die Ausgaben am Jahresende höher waren als die Einnahmen und ein Defizit bestand; man machte dann bei den Bürgern eine einmalige Umlage zur Abdeckung des Defizits.
Bei dem erwähnten Straßenbau handelt es sich um den Bau der Straße Höpfigheim bis Blattertkreuzung 1880/81, bei dem sich die Gemeinde finanziell beteiligen musste. Die Obrigkeit ließ aber nicht locker und stellte der Gemeinde Höpfigheim ein Ultimatum. Diese musste bis Georgii [23. April] 1884 die Lehrergehilfenstelle in eine Unterlehrerstelle umwandeln, für welche die Gemeinde dann – einschließlich 7,5 Zentner Dinkel – ein Jahresgehalt von 659 Mark und 44 Pfennig zu berappen hatte.

Wie sehr man mit den gemeindlichen Ausgaben geknausert hat, das zeigt das Protokoll einer eine Woche später abgehaltenen Gemeinderatssitzung. In einem Erlass der Oberschulbehörde und des Bezirksschulinspektors in Marbach war die Einführung des Turnunterrichts bei den Knaben (nicht bei den Mädchen) angeordnet worden. Es sollten für die Anschaffungskosten von 25 Mark für die nötigen Turngeräte 15 Mark aus der Schulfondskasse und 10 Mark aus der Gemeindekasse bewilligt werden. Der Gemeinderat stimmte dem zu. Vom Bürgerausschuss verweigerten dann aber drei Mitglieder ihre Zustimmung zur Beteiligung der Gemeindekasse. Um das Projekt nicht scheitern zu lassen, erklärten sich Schultheiß und Pfarrer schließlich bereit, die 10 Mark aus „ihrem Privatbeutel“ zu bezahlen.

In einer Kleinbauern- und Wengerter-Gemeinde ging es damals eben sehr sparsam zu; Geld war stets Mangelware, Schuldenmachen galt als höchst gefährlich und sündhaft, und es kam dann noch hinzu, dass man für sportliche Dinge in den bäuerlich-pietistischen Familien nichts übrig hatte. Bereits die Schulkinder waren in den bäuerlichen Arbeitsprozess fest integriert und die Schulferien voll auf Heu-, Getreide-, Kartoffel- und Traubenernte abgestimmt. An Bewegung hat es den damaligen Höpfigheimer Bauernkindern wahrlich nicht gefehlt.